Transkript
In dieser Podcast-Folge werden wir uns näher mit zwei psychologischen Phänomenen beschäftigen: dem Besitztumseffekt und der Verlustaversion. Diese können dazu führen, dass wir irrational handeln und Entscheidungen treffen, die uns teuer zu stehen kommen können. Der Besitztumseffekt beschreibt die Tendenz, Dinge höher zu bewerten, nur weil sie uns gehören. Die Verlustaversion hingegen beschreibt unsere Abneigung, Verluste zu erleiden, was oft dazu führt, dass wir riskante Entscheidungen treffen, um Verluste zu vermeiden. Diese Phänomene sind allgegenwärtig und können uns in vielen Situationen beeinflussen, von der Art und Weise, wie wir unser Geld ausgeben, bis hin zu unseren Investitionsentscheidungen. Wir werden einige Beispiele untersuchen und diskutieren, wie wir diesen Effekten entgegenwirken können, um bessere Entscheidungen zu treffen.
Einleitung
Ich fahre öfter einen bestimmten Weg mit dem Fahrrad, und wenn es geregnet hat, gibt es auf diesem Weg so eine Stelle, wo ich die Füße anheben muss, wenn ich durch die Regenpfütze fahre. Wenn ich das nicht mache, hab ich die Pfütze nämlich in den Schuhen.
Ich weiß das eigentlich. Ich bin da schon mehrmals durchfahren. Rate mal, wie oft ich dabei die Füße angehoben habe? Ich sachs dir: Zu selten. Die Pfützen-Info ist zwar irgendwo in meinem Kopf, aber wenn ich in der Situation bin, fällt es mir erst wieder ein, wenn die Pfütze schon in meinem Sneaker angekommen ist. Ich mache also den gleichen Fehler immer wieder. Das passiert uns oft auch als Konsumentinnen: Wir wissen zwar, dass wir manipuliert werden, aber wir fallen trotzdem immer wieder drauf rein.
Rückblick
In der letzten Folge haben wir uns mit dem Ankereffekt beschäftigt, mit dem wir ja erschreckend einfach manipuliert werden können. Der erste Denkfehler liegt im Grunde darin, den Ankereffekt nicht zu kennen und zu glauben, dass du deine Geld-Entscheidungen frei und selbst triffst. Wir wissen es aber nun besser und achten darauf, unsere Anker wirklich bewusst selbst zu setzen, bevor wir Entscheidungen treffen.
Psychologische Experimente sind ja total interessant und oft einfach witzig, weil sie die Drolligkeit der Menschen herausstellen, wir Menschen, die meinen, immer frei und logisch zu handeln - und am Ende einfach nur irgendwelchen psychologischen Effekten erlegen sind. Dat is halt drollig.
Das Kaffeetassen-Experiment
Eine solche Drolligkeit haben Kahnemann und Thaler, beide ihres Zeichens Nobelpreisträger, vor 30 Jahren in einem berühmten Experiment herausgestellt, dass da folgendermaßen ablief:
Die Studienteilnehmerinnen haben jeweils vor Beginn der Studie als Belohnung einen Kaffeebecher bekommen. Die Kontrollgruppe hingegen bekam Geld. Nach Erledigung ihrer Aufgaben konnte nun die Kaffeebecher-Gruppe ihre Kaffeetassen zu Geld machen, oder sie behalten. Die Kontrollgruppe konnte hingegen ihr zuvor erhaltenes Geld in einen Kaffeebecher eintauschen. So, und nun passierte faszinierenderweise Folgendes: Die Kaffeebecher-Gruppe war im Schnitt erst ab 7 USD bereit, ihren Becher zu verkaufen. Die Gruppe mit dem Geld aber bewertete die Kaffeetassen durchschnittlich mit 3 USD. Also mal ehrlich, 7 Dollar für ne Kaffeetasse find ich ganz schön happig.
Der Besitztumseffekt
Du kennst das vielleicht auch, wenn du im Leben schonmal was auf dem Flohmarkt oder online bei Gebrauchtportalen verkauft hast: Oft geben wir den Dingen einen höheren Wert, als andere bereit sind, dafür zu zahlen. Meistens lernen wir schmerzlich im Laufe des Lebens, dass wir unsere tollen Kaffeetassen nicht für 5 Euro verkaufen können, sondern vielleicht für 50 Cent.
Aber, und das haben Thaler und Kahnemann in ihrem Experiment gezeigt, offenbar wird eine Sache für uns wertvoller, sobald wir sie besitzen. Das wird Endowment-Effekt genannt, zu Deutsch “Besitztumseffekt”. Und hinter diesem Effekt wiederum steckt das Prinzip der Verlustaversion.
Das Prinzip der Verlustaversion
Es ist so, dass wir auf Verluste viel empfindlicher reagieren, als auf gleich hohe Gewinne. Um Verluste abzuwehren gehen wir relativ hohe Risiken ein und nehmen teilweise enorme Kosten auf uns.
Wie betrifft uns die Verlustaversion als Konsumentinnen?
So, warum ist das nun ein Denkfehler und wie betrifft dich das als Konsumentin? Denk mal an kostenlose Testfahrten mit Autos, an die 100 Tage Geld-Zurück-Garantie bei Matratzen, die 30-Tage-Geld zurück Garantie bei sämtlichen Produkten: Die Anbieter sind nicht einfach nur nett zu dir, sondern sie vertrauen auf den Besitztumseffekt, nämlich dem Effekt, dass du, sobald du die Matratze gekauft hast, anfängst sie zu lieben, und sie deshalb nicht zurückgibst. Hast du eigentlich schon mal von einer Geld-zurück-Garantie Gebrauch gemacht? Schreib mir auf den Insta Post, den ich dir in den Shownotes verlinke. Ich bin gespannt auf deine Antwort.
So, Ich behaupte jetzt, dass bei dieser Geld-zurück-Garantie-Falle noch ein anderer kleiner Denkfehler ins Spiel kommt, der in Kombination mit dem Endowment Effekt dazu führt, dass wir die Garantie nie in Anspruch nehmen: Nämlich der “Selbstverständlich werde ich die Zeit investieren, im Zeitfenster von 8-18h zu Hause hocken bis die Matratze abgeholt wurde und ich bin ich nicht zu faul und um mir mein Geld zurückzuholen und ich habe auch kein schlechtes Gewissen der netten Verkäuferin gegenüber”- Denkfehler, also die Annahme, man hätte Zeit und Nerven, die Geld-zurück-Garantie einzulösen. Aber da ich keine Verhaltensökonomin bin und dazu kein Experiment vorweisen kann, sondern lediglich Beobachtungen an mir selbst, beachten wir diesen Zusatzeffekt mal lieber nicht. Ich wollts nur mal eingeworfen haben.
Das Gefühl des Vorbesitzes
Den Besitztumseffekt nutzen Unternehmen also, um ein tiefes Gefühl des Vorbesitzes bei dir zu erzeugen, weil das wiederum den Wunsch bei dir erzeugt, das Produkt zu kaufen, um es endgültig zu besitzen. Wenn du dein Produkt zu Beginn des Bestellvorgangs z.B. personalisierst, hat das auch diesen Effekt. Oder, ganz fies, wenn du etwas in den Warenkorb legst, aber noch nicht zur Kasse gehst, wirst du mit einem Pop-up daran erinnert, dass in DEINEM Warenkorb, DEINE Artikel liegen, und wenn du sie jetzt bestellt, sie schon morgen bei dir sind. Der Effekt funktioniert auch bei Probeabos für Zeitschriften, Testphasen für kostenpflichtige Premium-Funktionen bei Apps, Probetraining im Fitnessstudio, bei Parfümproben, Lebensmitteln, und: bei Immobilien! Immobilienbesitzer:innen bewerten ihre Immobilie oft höher, als sie am Markt wert ist. Vor allem, wenn ein Eigenheim verkauft wird, denn da ist die emotionale Bindung an die Immobilie enorm hoch. Man hat die eigene Immobilie so umgebaut und eingerichtet, wie man es selber toll fand, und geht davon aus, dass alle anderen das genauso toll finden. Ist aber meistens nicht der Fall, denn Geschmäcker und Bedürfnisse sind halt verschieden.
Verlustaversion: Die teuren Auswirkungen beim Aktienhandel
Wo der Endowment-Effekt auch eine Rolle spielt, ist bei Aktien! Der Besitztumseffekt bewirkt hier, dass wir Aktien, die wir bereits besitzen, tendenziell überbewerten und Fundamentaldaten des Unternehmens günstiger interpretieren. Das kann dazu führen, dass man an Aktien festhält, obwohl sie objektiv betrachtet besser abgestoßen werden sollten. Wir denken an den Fall Wirecard, als es schon deutliche Hinweise gab, es könne was faul sein, aber Menschen dennoch an der Aktie festgehalten haben, bis zur Unternehmens-Pleite, und sie die Aktien dann nicht mehr losgeworden sind, bzw. Totalverlust verzeichnen mussten. Sowas passiert vor allem bei aktiven Handelsstrategien. Beim passiven Investieren mit ETFs (das sind börsengehandelte Aktienfonds) schaltet man die meisten Psychofallen übrigens ganz praktisch aus, deshalb ist es eine schön unspektakuläre Strategie.
Hieran siehst du: Börse hat eine Menge mit Psychologie zu tun, ist also wesentlich spannender, als du jetzt vielleicht denkst.
Wie kannst du dich als Konsumentin schützen?
So, und jetzt die große Frage: was kannst du tun, um nicht in die Besitztums-Falle zu latschen, die wir gerade besprochen haben?
Tja, zuallererst gilt: Einen kühlen Kopf bewahren und die Emotionen ausschalten. Einfacher gesagt, als getan, und ja, es erfordert immer ein bisschen bewusste Arbeit, den eigenen Impulsen zu widerstehen. Aber es lohnt sich, Kauf- oder Investment-Entscheidungen ganz nüchtern anhand nackter Zahlen sowie rationalem Für und Wider abzuwiegeln.
Was auch hilft, ist: Sprich mit anderen darüber. Denn du selber wirst dem Confirmation Bias verfallen, nämlich der einseitigen Suche nach Argumenten, die deine Annahmen und Entscheidungen bestätigen, dich also nur darin bekräftigen, die Aktien zu behalten, das Haus zu kaufen, die Premium-Funktionen einer App zu buchen, oder den 12-Monats-Vertrag im Fitnessstudio abzuschließen. Die kritische Betrachtung anderer, die nicht in dieser emotionalen Falle stecken, kann dir helfen, rationale Entscheidungen zu treffen. Es ist natürlich seltsam, deiner Freundin jedes Mal eine WhatsApp zu schicken, wenn du kurz davor bist, eine Yoga-App zu abbonieren, oder mit der Matratze nicht zufrieden bist und sie eigentlich zurückschicken musst, aber, ich mein, wieso denn eigentlich nicht? Alles was hilft, ist erlaubt. Und ein Tritt in den Hintern kann Wunder bewirken.
Sodele, wenn du richtig Deep in Aktien, Börse, Altersvorsorge und cleveres Geldmanagement eintauchen willst, und in meinen Finanzkurs für Frauen, mein Finanzmentoring “Knacke den Geldcode” kommen willst, dann sieh dir jetzt mein kostenloses Webinar an, Link in den Shownotes. Ich bin raus, peace.